Kunst – wozu überhaupt?

Höhlenmalerei

Eigentlich müssten wir mit einer ganz anderen Frage einsteigen, nämlich: Was ist eigentlich Kunst? [Damit sind alle verfügbaren „Eigentlichs“ für diesen Artikel verbraucht, versprochen!] Die Antwort überlassen wir lieber den Kunsttheoretikern, denn sie ist unerschöpflich, und wir wollen doch lieber bald zur Sache kommen. Der Duden sagt, Kunst ist ein „schöpferisches Gestalten aus den verschiedensten Materialien oder mit den Mitteln der Sprache, der Töne in Auseinandersetzung mit Natur und Welt“. Das ist kurz und schön formuliert und soll uns hier als Antwort reichen. Also kommen wir flugs zurück zur Eingangsfrage, die man auf zweierlei Arten verstehen kann:

1. Wozu machen Menschen Kunst?

Die älteste Spuren unserer kreativen Vorfahren sind ca. 40.000 Jahre alt. Warum aber haben die Menschen damals die Wände ihrer Wohnstätten bemalt? Die Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten. Die einen denken, dass es sich um religös-rituelle Akte handelte, eine Kontaktaufnahme mit dem Überirdischen. Andere sehen in den Bildern eine Form, Ängste zu bewältigen (mit dem „Bannen“ der Welt auf die Wand konnte man ihren Gefahren besser begegnen). Vielleicht hat man anhand der Bilder auch Jagdstrategien besprochen. Meine Lieblingsthese ist jedoch die, dass unsere Vorfahren einfach ganz zweckfrei und aus Lust und Laune ihre Höhlen gestalteten. Wir kritzeln ja auch gerne mal so vor uns hin (Schulhefte und Notizblöcke belegen das zahlreich). Und welches kleine Kind verziert mit den ersten Malstiften nicht früher oder später die Zimmerwände?

Die Höhlenmalereien machen uns zwei Dinge klar:
Zum einen, dass der Mensch von Natur aus einen (wie auch immer gearteten) Drang hat, leere Flächen mit etwas zu füllen. Dieses Phänomen verbindet uns über Jahrhunderte und Jahrtausende mit unseren Urvätern und -müttern. Soviel sich auch in den letzten 40.000 Jahren geändert hat – die Kunst hat unsere Spezies in all der Zeit begleitet.
Zum anderen hinterlassen die unendlich vielen Raum und Wände füllenden Kunstwerke in der Rückschau paradoxerweise unendlich viele Leerstellen. Auf viele Fragen hinsichtlich der Entstehung und Interpretation einzelner Arbeiten können wir nur mit einem „wahrscheinlich“, einem „vielleicht“ antworten. Das ist nicht sehr befriedigend, aber je schneller wir uns an diesen Umstand gewöhnen, desto besser. Und ein Teil der Faszination von Kunst liegt womöglich auch genau in diesem Ungeklärten.

2. (Wozu) brauchen wir Kunst?

Gegenfrage: Könnten wir ohne sie? Kultur – um den Begriff weiter zu fassen – ist ja immer als Erste dran, wenn es im öffentlichen Sektor um Sparmaßnahmen geht. Es gibt unverzichtbare Notwendigkeiten – und Kultur. Ist Kultur also nur ein Luxus, den wir uns leisten, aber nicht unbedingt brauchen? Ok, stünde ich kurz vorm Hungertod und hätte die Wahl zwischen einem Brot und einem Gemälde, würde ich auch das Brot kaufen. Dennoch glaube ich, dass auch Kunst unverzichtbar für den Menschen ist. Im Gegensatz zum Brot, das mich vielleicht zwei Tage satt macht, entfaltet Kunst ihre Bedeutung erst auf lange Sicht. Dann aber für immer (bzw. solange sie besteht). Weil sie von Menschen gemacht ist und wir Menschen sind, hat sie automatisch etwas mit uns zu tun, ob wir das nun bewusst wahrnehmen oder nicht. Auch wenn wir nicht gläubig sind, erfüllen uns jahrhundertealte Gotteshäuser mit Ehrfurcht. Auch wenn sie zu längst untergegangenen Kulturen gehören, die mit unserem modernen Leben nichts mehr zu tun haben, spüren wir Bedeutung alter Tempel, der Pyramiden usw. Und wir verstehen, welchen nicht wieder gut zu machenden Verlust die willentliche Zerstörung dieses Erbes (z.B. Palmya) darstellt.

Kunst und Kultur sind (wie im Allgemeinen gerne gesagt wird, deswegen sage ich es auch nochmal) die Wurzeln, vielleicht sogar der Baum, unseres kollektiven Gedächtnisses, unserer Identität. Und wenn wir beim Naturbild bleiben, dann sind wir das Obst, das Generation für Generation daran wächst – und irgendwann reif herunterfällt. Der Baum aber bleibt, solange wir ihn stehen lassen und gut behandeln. Ohne den Baum wären wir vielleicht nur noch leere Fruchthülsen oder… Ich weiß es nicht, aber wir sollten es besser nicht ausprobieren.


Der nächste, weniger nachdenkliche Blog
erscheint am nächsten Samstag, dabei beschäftigen wir uns u.a. mit der Frage, wie man in einem sehr kleinen Bild sehr viele Personen unterbekommt.

(c) arthistoryworlds.org/Pixabay

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