Gestatten – I tre Grandi (Die drei Großen)

Genial daneben…

Ich muss einfach noch etwas zu Leonardo da Vincis Abendmahl sagen, das wir uns letztes Mal angeschaut haben. Es wird Euch nicht entgangen sein, dass es sich auf der verwendeten Abbildung in recht übler Verfassung befand. Dieser traurige ist jedoch zugleich der restaurierte Zustand. Vielleicht tröstet Euch ein wenig, dass das Bild schon kurz nach seiner Vollendung zu bröckeln begann, es also auf gewisse Weise heute dem Original eher entspricht als es eine makellos restaurierte Fassung tun würde. Dass es seit Anbeginn seiner Existenz so vor sich hinkränkelt, dafür ist leider der geniale Leonardo selbst verantwortlich.

da VincoEr war eben nicht nur Maler, sondern auch (und vielleicht noch viel mehr) Erfinder und Wissenschaftler. Für das knapp 40 m² große Wandgemälde experimentierte er mit Öl und organischen Farben, die offensichtlich nicht sehr geeignet waren. Außerdem verwendete er die sogenannte Secco-Technik (wer gerne trockenen Wein trinkt, wird den Begriff kennen): Dabei wird die Farbe auf den trockenen Putz aufgetragen. Eine andere Technik ist die Affresco-Technik (weswegen man bei Wandmalereien auch allgemein von Fresken spricht). Hier wird die Farbe auf den frischen (fresco) Putz aufgetragen und verbindet sich durch das Trocknen fest mit diesem. Das macht die Farben viel haltbarer als beim Secco, jedoch kann der Maler sich immer nur dem frisch verputzten Bereich widmen, während die Trockenvariante ermöglicht, an jeder beliebigen Stelle zu unterbrechen und an einer anderen weiter zu malen. Was die Haltbarkeit betrifft, hat Leonardo seinem Werk keinen Gefallen getan, jedoch entsprach das Secco mehr seiner Arbeitsweise.

Es gibt amüsant zu lesende Berichte darüber, wie der große Meister dabei vorging: Manchmal soll er wie ein Besessener von früh bis spät gemalt haben, dann wieder saß er Stunden vorm Bild ohne irgendetwas anderes zu tun, außer es anzustarren. Dann gab es Tage, an denen er vorbeigerauscht kam, drei Pinselstriche setzte und wieder von Dannen zog. Vielleicht hatte er gerade eine frische Leiche auf seinen Seziertisch bekommen, die er untersuchen musste… Kein Wunder also, dass er vier Jahre brauchte, bis das Abendmahl vollendet war.

An die Decke gegangen

Ich will die beiden nicht gegeneinander ausspielen, aber Michelangelo (1475-1564), das zweite große Genie der italienischen Renaissance, malte wenige Jahre später im selben Zeitraum (von 1508-12) die komplette Decke der Sixtinischen Kapelle [s.o., Fresko, 520 m²] an! Und das, ebenso wie Leonardo, ganz ohne die Unterstützung von Gehilfen. Die hatte er nach schon wenigen Tagen gefeuert, weil sie in seinen Augen nichts taugten. Wer die Kapelle schon mal besucht hat weiß, dass man neben Staunen und Ehrfurcht sehr schnell auch seinen Nacken spürt. Michelangelo hing vier Jahre lang in ähnlich unbequemer Position unter der Decke und malte und malte…. Er selbst hat in einem Brief eine Karikatur dazu gemacht, die zeigt, wie sein Hinterkopf schon an seinem Nacken festgewachsen ist.

Only the good…

Während Michelangelo also alleine in der Kapelle vor sich hinpinselte, war nur ein paar Räume weiter, in den Stanzen des Vatikans das dritte Genie der Renaissance-Trias dabei, eines seiner Hauptwerke zu schaffen: Rafael/Rafaello Santi (1483-1520), den man zu seinen Lebzeiten Il Divino, den Göttlichen nannte, der uns heute aber als Namen weniger bekannt ist. Das mag daran liegen, dass er – getreu der Devise „Only the good die young“ („Nur die Guten sterben jung“) – bereits im zarten Alter von 37 Jahren starb. Ein Werk von ihm kennen wir aber alle, wette ich: Es sind die zwei in unzähligen Deko- und Weihnachtskartenvarianten wiedergegebenen, pauswangigen Engelchen, bzw. Putten, die hinter einem Sims lehnen, das eine mit aufgestütztem Kinn, das andere mit gekreuzten Ärmchen, beide nach oben schauend. Die beiden so viral gegangen, dass jeder YouTuber vor Neid grün anlaufen würde. Dabei sind sie in dem Gemälde, zu dem sie gehören, eigentlich nur eine Randerscheinung: Die Sixtinische Madonna (1512/13), ist ein weiteres Hauptwerk Raffaels.

 

Drei Genies zur gleichen Zeit im selben Land – die Renaissance hatte ihren Höhepunkt erreicht. Welcher von den Dreien ist Euer Favorit?

Im nächsten Blog (4. Februar) gibt es hier – und nur hier! – die ultimative 10-Punkte-Methode zur professionellen Betrachtung von Kunst.

Leonardo da Vinci: Selbstporträt, um 1512, Rötel, 33,3 × 21,4 cm, Biblioteca Reale, Turin (c) WikiCommmons
Daniele da Volterra: Michelangelo, um 1544, Öl auf Holz, 88.3 x 64.1 cm, Metropolitan Museum of Art, (c) gemeinfrei
Sixtinische Kapelle, Foto von Antoine Taveneaux, (c) WikiCommons
Raffaelo Santi: Selbstporträt, Detailansicht aus seinem Fresko „Die Schule von Athen“, 1510/11, Stanzen des Vatikan, Rom, (c) WikiCommons

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