Gestatten – letzte VERGNÜGUNGEN

Liebe Freundinnen und Freunde der Kunst,
heute gibt es den letzten Teil der Vergnügungen. Ich hätte noch ein paar in petto, aber ich will mich hier doch mal wieder mehr der Kunst widmen…
Übrigens habe ich letztes Mal, bei der Vergnügung Nr. 21, dem Mümmeln, natürlich totalen Quatsch geschrieben. In diesen Zeiten treibt die Phantasie seltsame Blüten…

Corrado Giaquinto: Medea Rejuvenating Aeson (Detail), ca. 1760

VERGNÜGUNG NR. 22: RÜCKWÄRTS GEHEN

Auf langen Spaziergängen oder Wandertouren empfiehlt es sich, ab und zu ein paar Meter rückwärts zu gehen*. Das entlastet die bis dahin beanspruchten Muskeln ungemein und entspannt Sehnen, Bänder und was eben noch so zum Vorwärtskommen genutzt wird. Der Blick zurück eröffnet einem außerdem häufig An- und Aussichten, die man sonst (wenn man einen Rundweg macht) gar nicht gesehen hätte.

Von der Zeitebene betrachtet ist das Rückwärtsgehen ein so skurriles wie faszinierendes Momentum: Wir blicken von der Gegenwart in die Vergangenheit, während wir uns auf die Zukunft zubewegen. Das soll uns erstmal einer nachmachen!

*Bitte nur auf breiten, stolperfreien, nicht an Abhängen gelegenen Wegen ausprobieren!

VERGNÜGUNG NR. 23: GRABSTEINE LESEN

Paul Cézanne: Der Teich am Jas de Bouffan, 1885-86, met

S.T. – Ein Herz, das für alles Edle und Gute begeistert schlug, steht still! – Dessen treue, aufopferungsvolle Gattin J.T. – gleich ihrem Gatten durch Familiensinn, Güte, Edelmut und vornehme Charaktereigenschaften ausgezeichnet.“

(Inschrift auf einem Grabstein auf dem Wiener Zentralfriedhof.)

Über Friedhöfe zu gehen und Gräber anzuschauen mag dem ein oder anderen als seltsamer bis pietätloser Zeitvertreib erscheinen. Dabei finde ich den Besuch, vor allem alter Friedhöfe, durchaus lehrreich. Friedhöfe konfrontieren uns mit unserer eigenen Endlichkeit. Gräber von Menschen, die das eigene Lebensalter nicht erreicht haben, oder im gleichen Jahr wie man selbst geboren wurden, verdeutlichen einem besonders, dass das Leben nicht so selbstverständlich ist, wie man meint.

Aber auch aus soziologischer und historischer Sicht sind Gräber interessant. Dass das Grabmal mit dem oben zitierten Spruch kein aktuelles ist, lässt sich aus der, wenn für uns auch gestelzten, doch auch sehr ehrwürdigen Sprache ablesen. Engels- und sonstige Figuren bilden einen unerschöpflichen Fundus kunsthistorischer Stile, manchmal sind – neben den Namen der Verstorbenen – dort Berufe genannt, die es heute nicht mehr gibt. Und auch Größe, Material und Schmuck des Grabes lassen Rückschlüsse auf die frühere Stellung des Begrabenen zu. Manche Gräber sind sogar lustig. Ich glaube, es gibt sogar ein Buch mit den witzigsten Inschriften. Ich habe es selbst nicht gelesen, erinnere mich aber an einen Spruch, der dort zitiert sein soll: „Hier liegen meine Gebeine. Ich wünschte, es wären Deine.“

Nachtrag: Mein treuer Leser F.J.F. machte mich auf diesen Museumsfriedhof mit lustigen Grabinschriften aufmerksam: https://www.alpbachtal.at/de/sommer/ausflugsziele/museen/museumsfriedhof

.Nachtra

VERGNÜGUNG NR. 24: SICH DIE (FUSS)NÄGEL LACKIEREN

Rechter fuss, Marmor, römisch; Nagellack: paint-Programm, frühes 21. Jh.

Auch und gerade die Männer! Denn gerade ist die perfekte Zeit dazu, diese sonst so rein weibliche Vergnügung auszuprobieren! Neben den sichtbaren Finger haben wir ja auch alle noch die unsichtbaren Fußnägel. Füße bedürfen und verdienen eine(r) besonderen Pflege – immerhin tragen sie uns tagein tagaus durch die Welt. Da können wir (also, könnt ihr) sie bei der nächsten Pediküre gleich mal verschönern und die Nägel anmalen, am besten in verschiedenen Farben. Wenn schon, denn schon. Für Sandalen ist es (meines Empfindens nach) eh noch zu kalt. Es fällt also nicht auf, wenn Mann mit lackierten Fußnägeln herumläuft. Aufgrund derzeit mangelnder Gelegenheit werden wir (bzw. ihr) vermutlich sowieso auch nicht in die Situation kommen, irgendwohin eingeladen zu werden. Noch unwahrscheinlicher ist es, so oder so, dass ihr Euch gleich die Schuhe und Socken von den Füßen reißt.

Überrascht Euren Partner/Eure Partnerin mit lustig-bunten Farbtupfern in südlichster Hemisphäre, nehmt die lackierten Nägel zum Anlass, jedes Mal, wenn Ihr darauf schaut, mit den Zehen zu wackeln. Das tut Euch und Euren Füßen gut. Und schickt mir Fotos (- ich bin gespannt, ob DAS einer macht)! NAGELLACK FÜR ALLE! JETZT!

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VERGNÜGUNG NR. 25: HÖREN

Hiram Powers: Fischerjunge, 1857, MET

Das Wort mit „C“ – ich kann es nicht mehr hören. Überhaupt werden tagtäglich sehr viele Geräusche, Worte und Meinungen an uns herangetragen, die wir gerne aus unserer Ohrmuschel heraushalten würden. Leider lassen sie sich nicht selektieren, nur ignorieren. Wobei hier die Gefahr besteht, dass wir dann nur noch das hören, was wir hören wollen… Hier empfehle ich das gelegentliche bewusste Hören: Mal für einen Moment die gerade tuende Tätigkeit und die gedachten Gedanken unterbrechen und einfach hören, was in dem Augenblick akustisch um einen herum passiert.

Entgegen meiner eigentlichen Gewohnheit höre ich gerade viel Musik. Empfehlen kann ich dazu das allabendliche Wohnzimmerkonzert von Igor Levit, das es immer um 19 Uhr auf dessen Twitterkanal https://twitter.com/igorpianist live (und in Socken) zu hören gibt. Ein schöner Tagesausklang.

Ich habe mir vorgenommen, hier (Anm: Auf Facebook) so lange Vergnügungen einzustellen, solange es diese Konzerte gibt. (Was reichlich ungerecht ist, immerhin muss ich mir hier alles selbst ausdenken und kann nicht auf bereits Komponiertes zurückgreifen!). Ich befürchte, Euch erwartet hier demnächst eine Menge Blödsinn (s. Vergnügung Nr. 21). Wenn Ihr dem entgegenwirken wollt, dürft Ihr sehr gerne Vergnügungsvorschläge einreichen!

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VERGNÜGUNG NR. 26, 27 und…: NOCH MEHR HÖREN, UND SEHEN UND…

Hier noch ein paar Links gleichfalls begabter, doch weniger bekannter Kulturschaffender, die ich Euch wärmstens ans Herz, ans Ohr, ins Auge legen möchte:

Auch ein Tastenvirtuose ist Simon Höneß, der in den letzten Wochen total viral gegangen ist, weil er mit seinem Schiebeklavier durch die Mainzer Neustadt zieht und die Anwohner dort mit spontanen Konzerten beglückt: https://bit.ly/3ajzvOn. Seine Band superfro sendet derweil virale Signale.

Wer braucht da schon Netflix und Co.? Die Jungs der Filmproduktionsfirma nachtschwaermerfilm haben ein virtuelles #quarantaenekino eröffnet, in dem sie ihre allesamt sehenswerten Produktionen der letzten Jahre zeigen. Entsprechende Links findet Ihr auf dem Facebook-Profil https://www.facebook.com/nachtschwaermerfilm/ oder auf Vimeo.
Eine Auswahl hier:
Vom Schweben: https://vimeo.com/195516957
Dolce Vita: https://vimeo.com/74955242
König der Statisten: https://vimeo.com/74932710

Zur Zeit ganz anders, doch wie immer wunderschön bewegt, ist Mareike Buchmann in ihrer Performance „Im Moment, ein Augenblick“ auf https://vimeo.com/403389352
Aus Mainz und aller Welt stellt die Plattform www.culture-y.com Beiträge von Kreativen diverser Sparten ein und vor (u.a. von mir :)).

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VERGNÜGUNG NR. 28: KINDER AUSLEIHEN

Vincent van Gogh: Madame Roulin und ihr Baby, 1888, MET

Ich habe ja selbst keine Kinder. Zum Glück. – Für die Kinder. Mein tiefster Respekt gegenüber allen Eltern, aber was man da an Verantwortung bekommt und an Freiheit verliert… Danach habe ich keine Sehnsucht. Da lob ich mir meinen Status als Tante! Und Nachbarin von Kindern! Man hat den ganzen Spaß, und wenn es schreit, gibt man es an die Erzeuger zurück.

Neulich saß ich mit dem Einjährigen von nebenan im gemeinsamen Hof. Wir haben zusammen erst gekrickelt (ich hoffe jetzt, er wird ein berühmter Künstler, dann sichert mir dieses Erstlingswerk meinen Ruhestand), dann hat das Kind lange Zeit damit verbracht, den Deckel vom Stift ab und wieder drauf zu machen, dann wurde es ein wenig missmutig. Ich habe mir den Stift zwischen Oberlippe und Nase geklemmt, worauf das Kind sein Mainzelmännchenlachen lachte. Zu allem machten wir komische, lustige, unsinnige Laute. Zwei Stunden völlig unverkopften, intellektfreien Blödsinns. Und trotzdem hatte ich dabei das Gefühl, einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. Denn alle Eltern, die ich kenne (und ihre Kinder bestimmt mehr als alles lieben), sind gerade besonders froh um die ein oder andere Auszeit, den ein oder anderen Moment Freiheit.

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Am 17. Mai ist internationaler Museumstag! In diesem Jahr ganz digital. Im nächsten Blog, Anfang Mai, stelle ich Euch die 10 ungewöhnlichsten Museen vor.

2 thoughts on “Gestatten – letzte VERGNÜGUNGEN

  1. 👍👍👍
    Als ich gerade deine Beiträge gelesen habe, kam mir ein Gedanke in den Sinn, den ich vor Corona weit von mir gewiesen hätte. Es gibt interessante Dinge, die nichts mit Fußball zu tun haben. Es ist schon krass, was der Virus mit einem macht.

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