Meister, Schüler, Meisterschüler

Bevor´s losgeht: Herzlichen Glückwunsch! Wir sind nämlich am 13. Januar ein Jahr alt geworden 😊 Ein schöner Grund, Euch für Eure Treue und anhaltende Kunstbegeisterung zu danken: DANKE DANKE DANKE!!!

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d.Ä oder d.J. – das ist hier die Frage. Hätten sich die Künstler von damals mehr Mühe bei der Namensgebung gemacht, wenn sie gewusst hätten, dass die Benennung des Sohnes (der Jüngere) nach dem Vater (der Ältere) den Wissenschaftlern von heute das Leben schwer macht? Nur Historiker, die sich den Familienmitgliedern des Hochadels beschäftigen, haben es noch schwerer mit all den vielen Karls, Charles, Ludwigs, Louis usw.

Wie der Vater, so der Sohn

So verfügt die Kunstgeschichte heute über zwei Lucas Cranachs (1472-1553 und 1515-1586), zwei Georg Brentels (1525/30-1610 und 1581-1634), drei Pieter Brueghels (1525/30-1569, 1564-1638 und 1589-1640) sowie gleich vier Jan Brueghels (1568-1625, 1601-1678, 1647-1719, 1628- nach 1664), wobei man den letzten beiden immerhin noch die Beinamen Baptist bzw. Peeter gegeben hat. Die beiden Brentels liegen zum Glück zeitlich etwas auseinander, auch bei den Brueghels kann man aufgrund der verschiedenen Stile, in denen sie gemalt haben, noch gut unterscheiden.

Die beiden Cranachs jedoch geben echten Grund zum Zähne ausbeißen. Sie sind sich in ihrer Malweise zum Teil so ähnlich, dass sich heute bei einigen Gemälden nicht mehr sicher sagen lässt, wer von beiden es gefertigt hat. Hinzu kommt, dass ihre Werkstatt über zahlreiche Mitarbeiter verfügte, die beliebte Bildthemen mehrfach kopierten. Die Meister sorgten dann nur noch für den letzten Schliff. Diese Vorgehensweise war effizient – die hohe Nachfrage wäre sonst nicht zu bewältigen gewesen – und einträglich. Wer sich keinen hundertprozentigen Cranach leisten konnte, hatte immer noch die Möglichkeit, für weniger Geld ein Bild aus der Werkstatt zu erstehen, auf dem sich der Meister wenigstens mit ein paar Pinselstrichen verewigt hatte. Die Signatur war also mehr Markennamen als Zuschreibung. – So, wie Karl Lagerfeld ja heute auch keines seiner entworfenen Kleidungsstücke selbst näht, auch wenn sein Name auf dem Label steht. (Sehr aufschlussreich ist dazu die Übersicht der Gemälde auf http://corpus-cranach.de/ – dort findet sich z.B. das hier gezeigte Motiv von Christus und den Kindern gleich 40 Mal).Und wer sich Cranach gar nicht leisten konnte, kaufte sich eine Kopie – wodurch noch mehr „Cranach“-Bilder auf den Markt geworfen wurden, die heute nicht oder nur schwer als Fälschungen entlarvt werden können.

Wie der Meister, so der Lehrling

Viele berühmte Künstler haben Schüler gehabt, die später selbst erfolgreich wurden, in ihrer Lehrzeit aber als Teil ihrer Ausbildung den Stil ihrer Lehrer so genau kopierten, dass auch hier manches Bild nicht mehr sicher zugeordnet werden kann. Und ebenso hatten große Meister Schüler, die zwar nicht bezüglich des Ruhms, aber der Malweise in ihre Fußstapfen traten. Während meines Studiums fand ich es sehr faszinierend, wenn sich in dem Bild des Meisters schon die Mitarbeit einer kommenden Künstlergröße nachweisen ließ. Gerade, wenn man selbst noch in der Ausbildung steckt und manches mal an seinen Fähigkeiten zweifelt, ist es gut zu wissen, dass selbst bei den allergrößten Genies nicht Talent allein zum Erfolg geführt hat und sie ohne entsprechende Ausbildung nicht zu den Superstars aufgestiegen wären, zu denen sie dann wurden.

Schüler: Raffael – Lehrer: Perugino

Wären diese beiden Bilder Teil eines Memorie-Spiels, könnte man sie auf den ersten Blick für ein Match halten. Kein Wunder, hat doch der junge Raffael nicht nur das Motiv, sondern auch die Bildgestaltung fast eins zu eins von seinem Lehrmeister Perugino übernommen: den halbrunden Abschluss, der am oberen Bildrand den Kuppelbau im Hintergrund überfängt, den weiten Platz im Mittelgrund mit ein paar Staffagefiguren und die Gruppe von Personen im Vordergrund, um die es eigentlich geht. Deren lebende Modelle scheinen alle aus einer Familie zu stammen, mit ihren runden, fast puppenhaften Gesichtern. Raffael macht aber auch einiges anders: Sein Bild hat insgesamt mehr Tiefe, bei Perugino wirkt alles kompakter aneinandergerückt. Das Gemälde des jüngeren Malers wirkt außerdem belebter, was nicht allein an den leuchtenderen Farben liegt. Sehr Ihr, wie ihm das im Vergleich zu Perugino gelingt? Es ist gar nicht so viel, was er anders macht, aber das Wenige hat große Wirkung.

Besonders gut sichtbar wird das an dem Priester, der in der Mitte der Gruppe steht und gerade die Hände der beiden Vermählten zusammenführt. Bei Perugino steht er genau in der Mitte des insgesamt sehr symmetrisch komponierten Bildes. Er ist so vollkommen gerade ausgerichtet, dass man ihn auch in der Mitte durchschneiden, und eine Körperhälfte spiegelt könnte. Es braucht kein Expertenauge um zu sehen, dass das bei Raffael anders ist. Bei ihm neigt sich der Körper des Gottesdieners leicht nach rechts – eine Haltung, die nicht nur belebter, sondern auch natürlicher wirkt, als die Starre bei Perugino.

Schauen wir uns die Beifiguren neben den drei Hauptdarstellern an, sehen wir in beiden Fällen, dass diese hier wie da in Bewegung dargestellt sind: Es gibt verschiedene Körperhaltungen, Gesten, Blickrichtungen, die sie beleben. Täusche ich mich, oder wirken auch hier die Figuren in Raffaels Bild lebendiger? Wenn es nicht an der Darstellung der einzelnen Personen liegt, an was dann? Werfen wir einen Blick auf ihre Füße: Perugino stellt die Teilnehmer der Szene sehr nah an den vorderen Bildrand, ihre Füße bilden fast eine parallel dazu laufende Linie. Bei Raffael hingegen bilden die Füße eher einen Halbkreis, dessen Rundung durch die ein oder andere Zehenspitze hier und da unterbrochen wird. Das lockert auf (auf seiner Party wird sozusagen getanzt, während bei Perugino die Gäste nur am Rand der Tanzfläche herumstehen).

Lehrer: VEROCCHIO – Schüler: …

Der arme Verrocchio… Einst einer der bedeutendsten Künstler seiner Zeit, ist sein Name heute wohl eher Fachidioten bekannt. Gleich zwei seiner Schüler sind erst aus seinem Schatten herausgetreten, um ihn dann in denselben zu stellen: Botticelli war der eine. Und der andere…? Es gibt einige Gemälde Verrocchios, an denen der spätere Superstar mitgemalt haben soll, z.B. „Tobias und der Engel“ (1470-80).

Die Wissenschaft zumindest will in dem Gemälde drei Elemente aus seinem Pinsel erkannt haben: den Fisch in Tobias` Hand, das Hündchen und die Haarlocke von Tobias. Auf der „Taufe Christi“ (um 1475, leider nicht gemeinfrei) durfte der große Unbekannte dann schon mehr von seinem Können zeigen: Ihm wird der ganz links kniende Engel zugeschrieben. Hat nicht auch dieser die Haare schön? Die Verwandtschaft zu weiteren Figuren aus der Hand des Meisters ist ihm, wie ich finde, bereits anzusehen: die feinen Gesichtszüge, die aus Schattierungen statt aus Linien gebildet sind, der leichte Silberblick, der pudrig-helle Teint, das ganz zarte Lächeln. Und, seid Ihr schon drauf gekommen? Yep, es ist Leonardo, den wir suchen. Wenn er auch nicht explizit für seine Künste in Sachen Hairstyling bekannt geworden ist: Er hatte wirklich eine ganz spezifische Art, (blonde) Locken zu malen. Und mit Tobias` Tolle fing es an.

Schüler: (zu) viele – Lehrer: Rembrandt

Bei Rembrandt drehen wir den Spieß bzw. den Pinsel nochmal um: Hier ist der Name des Meisters berühmter (genau genommen: wieder berühmter geworden) als der seiner Schüler. Oder sagen Euch die Namen Govert Flinck oder Aert de Gelder etwas? Mir auch nicht (wären sie nicht unter dem entsprechenden Wikipedia-Artikel als Rembrandt-Schüler aufgelistet). Gemeinsam mit Gerard Dou bringen sie die Forscher bis heute heftig ins Schwitzen, sind viele ihrer Werke denen ihres Meisters doch so ähnlich, dass sie sich kaum auseinander halten lassen. Hier eine lose Auswahl von Rembrandt- und Schülergemälden:


Ihr versteht die Crux der Forscher?
Früher hat man natürlich gerne allem, was annähernd nach Rembrandt aussah, diesem zugeschrieben. Damit ließen sich Bilder teurer verkaufen und (Museums-) Sammlungen aufwerten. Das hat aber dazu geführt, dass man heute bei vermeintlichen Arbeiten des Niederländers umso vorsichtiger ist. Aufwändige Untersuchungen und Analysen, vor allem des Rembrandt Research Projects, haben über die letzten Jahrzehnte den hohen Bestand an echten Rembrandts um eine beträchtliche Anzahl an Arbeiten reduziert. Hier und da, wie bei dem Gemälde Saul und David, wurden alte Einschätzungen, die die Autorenschaft des Malers dementierten, jedoch auch wieder aufgehoben. Falls Ihr also zufällig zuhause irgendwo noch einen alten Schinken herumstehen habt, der nach Rembrandt aussieht….

Wie man mit modernen Mitteln heute versucht, die Hände von Vätern und Söhnen, Meisters, Schülern und Werkstätten auseinander zu halten, das ist Thema für einen eigenen Beitrag.
Nächstes Mal werfen wir aber mal einen Blick auf Künstler, die man heute als C-Promis bezeichnen würde.

Raffael: Die Vermählung Mariens (Detail), 1504, Pinacotheka die Brera, Mailand | Lucas Cranach d.J. und Werkstatt: Christus segnet die Kinder, um 1545, Metropolitan Museum, New York | Lucas Cranach d.J. und Werkstatt: Christus segnet die Kinder, nach 1537, Statens Museum, Kopenhagen | Perugion: Die Vermählung Mariens, 1502, Musée des Beaux-Arts de Caen |Andrea del Verrocchio und Werkstatt: Tobias und der Engel, 1470-75, National Gallery, London| nicht abgebildet: ders.: Taufe Christi, um 1475, Uffizien, Florenz |Rembrandt van Rijn: Die Anbetung der Hirten (Detail), 1646, Alte Pinakothek, München | Rembrandt Schüler: Die Anbetung der Hirten, 1646, National Gallery, London| Govert Flinck: Selbstporträt mit 24, 1639, ebd. | Rembrandt: Selbstporträt mit 34, 1640, ebd. | Rembrandt (frühere Zuschreibung an ihn und Gerard Dou): Anna und der blinde Tobit, 1630, ebd. | Ehemals Rembrandt zugeschrieben, Signatur aber gefälscht: Sitzender Mann mit Stab, um 1675-1725, ebd.

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