Gestatten – Liebe. Oder auch nicht…


Happy AmbiValentinstag!

Es ist Valentinstag und da ist es nur logisch, über das schönste und vermutlich komplizierteste aller Gefühle zu sprechen: die Liebe.

Eine Liebesbeziehung fängt bekanntermaßen damit an, dass man jemanden trifft, in den man sich früher oder später verliebt und dabei auf Gegenliebe stößt. Partnerschaftsbörsen sollen den modernen Menschen dabei unterstützen und die Wahrscheinlichkeit dieses Zusammentreffens erhöhen. Der Weg zur Romantik ist doch reichlich unromatisch. Früher… ja früher, da hat man noch an das Schicksal geglaubt, an Amors Pfeil oder eben an den heiligen Valentin, die einem die Eine/den Einen brachten. Da konnte man noch sehnsüchtig den Mond anheulen, statt einsam und vom kalten Licht des PCs beschienen Persönlichkeitsprofile auszufüllen und Fotos von sich hochzuladen. Da wurde an Blümchen gezupft anstatt Tinder-Bilder in die ein oder andere Richtung gewischt.

Doch brauchen wir der guten alten Zeit nicht nachzuweinen, denn wie es beim „Früher“ so ist – in der Form hat es das nie gegeben. Die romantische Liebe, nach der wir uns heute sehnen, gibt es ja nur, weil sie in der Romantik erfunden wurde. Davor (und noch oft genug danach) ging es einfach darum, den Partner zu finden, der gesellschaftlich, finanziell und konfessionell am vorteilhaftesten zu einem passte. Und nicht selten trafen Braut und/oder Bräutigam die Entscheidung zur Vermählung nicht einmal selbst. Da wurde verhandelt und verkuppelt, dass uns heute die Ohren sausen.

Bild – schön…

Die junge Frau rechts beispielsweise war die vierte Frau von Heinrich VIII. von England (1491-1547). – Genau, das war der fiese Dicke, der insgesamt sechs Mal verheiratet war und die ein oder andere Gattin ermorden ließ. Frau Nr. 3, Jane Seymour, war allerdings am Kindbettfieber gestorben. Während der König selbst in tiefe Trauer fiel – er muss sie wirklich geliebt haben – hielten seine Berater schon nach einer neuen Braut Ausschau. Der Hofmaler Hans Holbein d.J. (1497 o. 98-1543) wurde aufs Festland geschickt, um potentielle Kandidatinnen zu porträtieren.

Hans Holbein d.J. Christina von DänemarkDas Bildnis Christina von Dänemarks (1521-1590, links) gefiel dem König am besten, und gerne hätte er die 16-jährige zu Gattin Nr. 4 gemacht. Doch ihr Onkel, Karl V., wollte es sich mit den Franzosen nicht verscherzen, die mit den Engländern im Dauerclinch lagen, und gab seine Nichte nicht frei. So entschied sich Heinrich für Anna von Kleve (1515-1557, rechts), deren Bild ihm ebenfalls zusagte. Zack, wurde der Ehevertrag unterschrieben, ohne die Braut auch nur ein einziges Mal vorher getroffen zu haben.

…Realität – weniger

Als er sie dann das erste Mal traf, war er zutiefst enttäuscht: Er fand Anna langweilig und fade – und unattraktiv. Angeblich hatte Holbein die Gute derart „gephotoshopped“, dass zwischen gemaltem und realem Antlitz ein gewaltiger Unterschied bestand. Der König soll darüber so erzürnt gewesen sein, dass der Maler nie wieder Personen des englischen Königshauses porträtieren durfte. (Welchen Eindruck der König auf Anna gemacht hat, ist übrigens nicht überliefert, aber wenn ich mir den Kerl so anschaue – ich wäre an ihrer Stelle nicht vor Begeisterung im Dreieck gehüpft…) Aber Vertrag war Vertrag, also wurde geheiratet, auch wenn Heinrich sich nach Kräften bemühte, dies zu verhindern. Immerhin konnte er seine neue Angetraute (auch ohne die Androhung, geköpft zu werden) davon überzeugen, sich baldmöglichst wieder zu trennen, sodass die Ehe bereits nach einem halben Jahr geschieden wurde.

Heinrich der Achte

Same same, but different

Holbein ist vor allem wegen seiner Porträts als bedeutender Maler in die Kunstgeschichte eingegangen, denn er hatte das Talent, sowohl das Äußerliche, als auch den Charakter des zu Malenden ebenso präsize wie subtil wiederzugeben (- was vermuten lässt, das Anna in Wirklichkeit garnicht so anders aussah als auf dem Bild und zwischen ihr und dem König schlicht die Chemie nicht gestimmt hat).

Schauen wir uns die beiden Damen nochmal genau an. Wenn wir allein ihre Körperhaltung und ihr Gesicht betrachten, so gibt es hier generell keinen großen Unterschied: Anna ist uns ganz, Christina fast vollständig zugewandt. Beide stehen aufrecht, aber reglos, die Hände elegant vor den Oberkörper haltend. Bei beiden hält sich auch das Mienenspiel stark in Grenzen. Man könnte meinen, alles, was auf ihre jeweilige Persönlichkeit hindeutet, wird unter der voluminösen Kleidung begraben.
Und dennoch: trotz der emotionalen Reduziertheit und der Übereinstimmungen wird deutlich, dass wir es mit zwei ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten zu tun haben. Wie gelingt Holbein das?

Bei Anna fällt im Vergleich zunächst auf, dass sie „nur“ als Brustbild dargestellt ist. Sie steht vor einem dunkel, undefinierten Font (Hintergrund), ihre Kleidung wird von den Bildrändern beschnitten. Mit Ausnahme der Hände ist ihr Bildnis, inklusive des Gesichts, so gut wie symmetrisch.

Fast kein Unterschied: Links das Original, rechts mit gespiegelter Gesichtshälfte.

All diese Faktoren, lassen sie starr und passiv erscheinen. Sie wirkt mehr wie eine Puppe denn als lebendiger Mensch. Da hilft auch ihre kostbare Bekleidung und der Schmuck nichts, die Holbein wunderbar detailgetreu und plastisch wiedergegeben hat.

Christina hingegen tritt uns ganzfigurig entgegen. Der Hintergrund ist bei ihr zwar ebenfalls dunkel, doch bildet er einen konkreten Raum, auf dessen Wand sich der Schatten der Dänin wirft. Sie erhält dadurch – trotz ihrer schwarzen Kleidung – selbst Tiefe, Volumen und Präsenz. Hinzu kommt, dass sie nicht frontal, sondern leicht eingedreht zu uns steht. Der nach vorne zulaufende Saum ihres Mantels verstärkt den Eindruck, als sei sie in Bewegung, als mache sie einen Schritt auf uns zu.

Es gibt außerdem ein kleines Detail mit großer Wirkung, dass die beiden Porträts so unterschiedlich auf uns wirken lässt: Es ist der jeweilige Blick. Anna hat, wie es sich für eine anständige Dame ihres Standes gehört, die Augen leicht gesenkt. Sie wirkt, als sei sie in den Anblick unseres Kinns versunken. Man könnte auch von einem Schlafzimmerblick sprechen. Bei Christina ist es kurios: Im ersten Moment scheint es, als würde sie unseren Blick erwidern. Doch wenn wir ganz genau hinschauen, stellen wir fest, dass ihr linkes (von uns aus gesehen rechtes) Auge ganz knapp an uns vorbeischaut (wenn Ihr Euch das Bild hier vergrößert und nur jeweils ein Auge anschaut, seht Ihr es deutlicher). Mit ihrem rechten Auge schaut sie uns aber tatsächlich an. Diese minimale Abweichung lässt ihr Gesicht belebt(er) erscheinen – zumal sie uns ein ganz zartes Lächeln schenkt.


Und am Ende wird alles gut

Anna hat nicht mehr geheiratet, blieb aber in England und pflegte ein freundschaftliches Verhältnis zu ihrem „Ex“ und dessen fünfter Frau. Christina heiratete 1541 Franz I. von Lothringen, bzw. wurde verheiratet. Für sie war es die zweite Ehe, denn sie war als Elfjährige mit dem Herzog von Mailand verheiratet worden – in Abwesenheit des Bräutigams. Nach der kirchlichen Trauung 1534, die die Eheleute real zueinander brachte, hatte ihr Gatte immerhin den Anstand, die „Ehe nicht zu vollziehen“. Er starb bereits ein Jahr später und machte Christina damit mit 13 Jahren zur Witwe. – Soviel zu „früher“ und „romantisch“…

Doch das soll Euch nicht davon abhalten, heute (und an anderen Tagen) eine schöne Zeit mir Eurer/Eurem Liebsten zu haben. Und wenn Ihr keine/n habt, dann tut Euch heute selbst etwas Gutes!

 


Beim nächsten Mal
(am 24. Februar) wird es richtig richtig laaaaangweilig!

 

Miniatur aus: Pierre Sala, Kleines Buch der Liebe, Frankreich, 1. Viertel 16. Jh., © The British Library.
Michelangelo Merisi Caravaggio: Amor als Sieger, um 1602, © Foto: Gemäldegalerie der Staatlichen
Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Jörg P. Anders.
Hans Holbein d.J.: Anna von Kleve, 1539, © musée du Louvre, © Direction des Musées de France, 1999 | Christina von Dänemark, 1538,
© National Galerie, London. | Heinrich VIII von England, um 1537 © Fundación Colección Thyssen-Bornemisza, Madrid.

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