Zeigt her Eure Schuhe
L´etat, c´est moi. Politik könnte so stylisch sein, wäre da nicht diese lästige Demokratie, die heutige Machthaber, selbst Despoten, Autokraten und solche, die dies gerne wären, in die immergleich aussehenden, langweiligen Outfits zwingt. Über die Jahrhunderte haben sich die Zeichen der Macht stetig verändert. Statt dem Zepter in der Hand ist es heute der Finger am roten Knopf (oder am Golfschläger…), der Macht demonstriert. Statt Hermelin und Purpurmantel der maßgeschneiderte Anzug, statt roter Absatzschuhe unscheinbare, aber flache Lederslipper, mit denen man wenigstens motorisch stolperfrei übers internationale Parkett kommt. Optisch unterscheiden sich heutige Staatsoberhäupter kaum noch vom Staatsbürger, der tagtäglich im Anzug ins Büro geht.
„Früher“, also in einer Zeit, als sich die Macht- divergent zur Bevölkerungsmenge verhielt – wenige hatten viel Macht, die meisten hatten keine – konnten Herrscher noch so richtig klotzen, was ihre Selbstdarstellung betraf. Wie haben die Maler die Macht ihrer königlichen Auftraggeber dargestellt? Schauen wir uns dazu doch drei Beispiele an:
Monumental: Ludwig XIV., Hyacinthe Rigaud, nach 1702
Ein Herrscherbildnis, das wohl in keinem Geschichtsbuch fehlt. Ein Konzentrat von allem, was Macht darstellt und ausdrückt: Der König im Krönungsornat, als oberster Kriegsherr mit dem Marschallstab in der Hand, das Schwert der französischen Könige locker am Gürtel tragend, auf der Brust eine goldene Kette mit dem Orden vom Heiligen Gral. Der Mantel außen tiefblau mit goldenen Bourbonenlilien bestickt (nach dem Wappen seines alten Adelsgeschlechts), was sich in Draperie und Möbeln im Hintergrund fortsetzt, so dass man nicht genau weiß, wo der Herrscher aufhört und die Raumdeko anfängt. Auf der linken Schulter zurückgeschlagen, was das Futter aus Hermelin (dem Hochadel vorbehalten) sichtbar macht und den König doppelt so breit wirken lässt, als er ist. Die neueste Frisurmode holt noch ein paar Zentimeter Körpergröße raus, ebenso die Schuhe mit den roten Absätzen (ein Privileg der Mitglieder des Königshauses). Die hautengen, weißen Strumpfhosen mit -bändern an den verhältnismäßig dünnen Beinen, hihi… ähäm… nun ja, so trug Mann das damals… Bei so viel Pomp ist die Krone nur nebensächliches Beiwerk. Der Hintergrund: der dramatisch drapierte rote Vorhang (Rot = Purpur = Herrschern vorbehalten, der Vorhang rekurriert auf byzantinische Herrscherbildnisse), die Säule als Symbol von Stärke und Standfestigkeit, auf dem Relief an der Basis die Justicia.
Und dann: Die Haltung! Das Geheimnis des Porträts – und seines Erfolges – liegt in Ludwigs Pose. Überlebensgroß (das Bild misst 2,77 m Höhe, 1,94 m Breite), bietet der König uns nicht, wie man erwarten könnte, die volle Breitseite, die Stirn. Mit fast tänzerischer Beinstellung, die Linke in die Hüfte gestemmt, wirkt es, als sei er im flüchtigen Vorbeigehen nur mal kurz stehengeblieben. Ein Promi auf dem roten Teppich, der nur einen Moment für die Fotografen posiert, um dann zur Preisverleihung zu eilen. Lässig, fast gelangweilt, zeigt er uns die kalte Schulter und wirft uns einen abschätzigen Seitenblick zu, der so viel sagt wie „Liberté? Fraternité? – Mir doch Scheißegalité.“
Lässig – Karl I. auf der Jagd, Antonis van Dyck, 1638
Da das Bild leider nicht gemeinfrei ist, hier klicken.
Die Pose Ludwigs hat Rigaud abgekupfert. Gut sechzig Jahre zuvor malte Antonis van Dyck Karl I. von England in fast identischer Körperhaltung. Im Vergleich zum Sonnenkönig kommt er uns auf dem Porträt ganz bescheiden vor. Und dennoch verstehen wir, dass es sich nicht um einen Mann aus dem Volk handelt. Natürlich spielen auch hier die Darstellung in Lebensgröße (das Bild ist 2,71m hoch) und der herabschauende Blick eine Rolle. Doch so deutlich die Macht Ludwigs auf Rigauds Bildnis aus jedem Farbtropfen quillt, so subtil ist sie bei Karl wiedergegeben. Zunächst einmal ist die Umgebung – der helle Himmel, das dunkle Blattwerk und der in gedeckten Farben gehaltene Standort – so gestaltet, dass sie die Figur des Herrschers einrahmt und hervorhebt. Nur das Pferd, das wir auch ohne große Kenntnis als edles Tier erkennen, hat ein wenig von dem Glanz abbekommen, der von Karls silberweißer Jacke (und damit von ihm selbst) ausgeht. Im Gegensatz dazu verschmelzen seine beiden Begleiter fast mit dem Hintergrund. Und das, obwohl sie ganz mittig im Bild stehen. Es ist klar, dass beide Diener sind. Der jüngere hält einen wertvollen Stoff, vielleicht den Umhang des Königs. Der ältere widmet sich dem Pferd, das kostbar aufgezäumt ist. Man könnte sagen, Karl sei hier gerade von seinem hohen Ross heruntergestiegen. Doch kann man nur von etwas herabsteigen, wenn man vorher draufgesessen hat. Indirekt haben wir es hier also auch noch mit einem Reiter(stand)bild zu tun, einem klassischen Machtmotiv, das die Kontrolle des Mächtigen über das Unbändige, Zügellose symbolisiert.
Auch der Ausblick über die weite Landschaft im Hintergrund ist mehr als nur ein kompositorischer Kniff für mehr Tiefenwirkung. Es ist klar, wem dieses Land gehört. Einmal, weil Karl, bis auf die Wendung seines Kopfs, ihr zugewandt ist. Dann auch, weil die Schattierungen seines Jackenstoffs und seines Kragens sich in den Farben der Wolken wiederfinden. Wie auf uns, blickt der König auch auf sein Land herab. Nicht zuletzt ist es auch der Bildtitel, der den Dargestellten als Mitglied des Adels ausweist, denn die Jagd war lange Zeit sein Privileg (wobei ich einschränkend sagen muss, dass ich nicht sicher bin, ob das Bild diesen Titel schon immer hatte oder ob er ihm nachträglich zugewiesen wurde, um es von anderen Porträts des Herrschers unterscheiden zu können).
Gütig – Die Übergabe von Breda, Diego Velázquez, 1635
Dieses Bild hat mich nie sonderlich beeindruckt – bis ich davorstand. Da war ich überwältigt. Velázquez, der dem Geschehen nicht selbst beigewohnt hat, hält hier den Moment fest, in dem der besiegte niederländische Kommandant dem spanischen Feldherrn Spinola als Symbol der Kapitulation den Stadtschlüssel von Breda überreicht. Das kleine Städtchen hatte beim Kampf um den Machterhalt der Spanier in den Niederlanden eine große (sozusagen eine Schlüssel-)rolle gespielt, und sein Fall war für die eine Seite ein bedeutender Sieg, für die andere Seite eine entsprechend desaströse Niederlage. Ihr war eine einjährige Belagerung und erbitterte Kämpfe mit entsprechend vielen Toten auf beiden Seiten vorausgegangen. Ein Krieg, wie er immer war, ist, und bleiben wird. Doch im Moment des größten Triumphs für die Sieger und der größten Erniedrigung für die Besiegten scheint es, so sagt es uns das monumentale Gemälde (H 3,07 m x B 3,70 m), dann doch sehr gemenschelt zu haben: Freundlich, fast väterlich-gütig kommt Spinola dem Kommandanten entgegen (eine Geste, die sogar schriftlich belegt ist). Beide haben aus Ehrerbietung dem Anderen gegenüber den Hut gezogen. Tröstend und anerkennend legt der Spanier dem Besiegten, der sich ihm in gebeugter Haltung nähert, den Arm auf die Schulter. Fast glaubt man ihn sagen zu hören: „Mach` Dir nichts draus, alter Freund. Mal gewinnt man, mal verliert man. Und wie Ihr Euch geschlagen habt – Respekt. Echt!“ Den Schlüssel wird er dem Kommandanten trotzdem abgenommen haben.
Velázquez hätte die Szene auf die beiden Hauptakteure beschränken können, doch verortet er sie in eine weite Landschaft und stellt beiden Kriegsherren eine Schar von Personen an die Seite (schon allein für die großartigen Porträts der einzelnen Charaktere lohnt es sich, das Bild genauer anzuschauen). Und in diesen „Zugaben“ liegt eine ganz andere Aussage als die der scheinbar frischen Männerfreundschaft in der Bildmitte. Schauen wir uns die Begleiter Spinolas auf der rechten Bildseite an: Die Gruppe im Hintergrund scheint sich für das symbolträchtige Ereignis nicht zu interessieren. Bis auf einen (der Flöte spielt?), und einen, der sich, das Gewehr auf den Schultern, zur Gruppe am linken Bildrand umdreht, stehen die Männer abgewandt und haben auch ihre Hüte nicht abgenommen. Sie schauen über die weite Landschaft und sind damit beschäftigt, ihre Lanzen so gerade wie möglich zu halten. Davor, zwischen ihnen und ihrem Anführer, haben sich etwas feinere Herren versammelt. Sie wirken nicht unbedingt so, als hätten sie einen zehrenden Kampf hinter sich. Sie sind gut und ordentlich gekleidet, z.T. schon ein wenig in die Jahre gekommen (Erfahrenheit und Weisheit!), wohl eher hochrangige Militärs als Soldaten. Auch ihr Interesse an der Schlüsselübergabe hält sich in Grenzen, doch einer wirft uns einen zufriedenen, selbstbewussten Blick zu (der streng schauende Herr rechts hinter dem Pferd soll der Maler selbst sein).
Und die Besiegten? Ihnen nimmt man ab, dass sie gerade vom Schlachtfeld gekommen sind – und verloren haben. Allein der Blick des jungen Mannes ganz links spricht Bände. Im Vergleich zur homogenen Gruppe der Sieger wirken er und seine Waffenbrüder wie ein bunt zusammengewürfelter Haufen (meist) junger, unerfahrener und ungestümer Kerle, die gar nicht so recht wissen, wie ihnen gerade geschieht. Der Disziplin und Ordnung, die sich in den parallel zueinanderstehenden Lanzen ihrer Gegner widerspiegeln, haben sie nur ein paar Waffen entgegen zu setzen, die sie ganz kreuz und quer halten. Und das dumm glotzende Pferd ihres Anführers verstärkt den Eindruck, dass man es hier nicht gerade mit den hellsten Köpfen ihres Landes zu tun hat.
Der Blick des Malers auf das Geschehnis ist der Blick des Siegers. Gesiegt, das impliziert dieses Bild, haben Disziplin und geistige Überlegenheit. Verloren haben Chaos und Dummheit. Und weil er das schon vorher wusste und der Sieg sein Wissen nur noch einmal bestätigt hat, kann sich der spanische Feldherr auf so gnädig seinem Feind gegenüber geben.
Ludwig, Karl, Spinola – drei Bilder, die Macht zeigen. Und die Macht der Bilder zeigen.
Nächstes Mal kommt es zur Ismen-Inflation!
Hyachinthe Rigaud: Ludwig XIV., 1702, (c) Château de Versailles, Dist. RMN (c) Christophe Fouin | Antonis van Dyck: Karl I. auf der Jagd, um 1635, Louvre, Paris | Diego Velázquez: Die Schlüsselübergabe von Breda, 1635, (c) Prado, Madrid