Gestatten – Die 10 ungewöhnlichsten Museen

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Was die Welt ohne Kunst und Kultur wäre, merken ihre Liebhaber in diesen Zeiten ganz besonders deutlich. Keine Konzert-, keine Theater-, keine Ausstellungsbesuche. Gerne bilde ich mir ein, dass auch die Kunstwerke in den Museen vor Langeweile fast von den Wänden bzw. umfallen…

Am Sonntag ist (ja: ist!) Internationaler Museumstag. In diesem Jahr findet er erstmals vollkommen digital statt. Schaut mal rein in die vielen vielen Angebote, die sich die Häuser haben einfallen lassen!

Gut 6.700 Museen gibt es allein in Deutschland! Selbst, wenn sie alle wieder geöffnet hätten, würden wir es zu Lebzeiten nicht schaffen, sie alle zu besuchen. Deshalb stelle ich Euch deshalb heute die 10 ungewöhnlichsten von ihnen vor:

Der gläserne Mensch, (c) Deutsches Hygiene Museum, Foto: Jörg Gläscher

1. DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM DRESDEN

Derzeit nicht nur „in aller Munde“
, sondern gleich im ganzen Gesicht und an den Händen, überall: das Thema hygienische Maßnahmen.  Das Museum, das sich damit bestimmt am besten auskennt ist das Deutsche Hygiene-Museum Dresden. Nachdem die Internationale Hygiene-Ausstellung 1911 ein voller Erfolg gewesen war, eröffnete einer ihrer wichtigsten Teilnehmer und Geldgeber, der Unternehmer Karl August Lingner, ein Jahr später das Haus. Sein Ziel war es, die breite Bevölkerung über die Entstehung und Vermeidung von Krankheiten aufzuklären. – Was gerade in den aus allen Nähten platzenden Städten dringend Not tat.

Heute steht der menschliche Körper an sich und seine Interaktion mit der (Um-)Welt im Fokus der Dauer- und Sonderausstellungen des Museums, das aktuell ein großes digitales Angebot hat: https://www.dhmd.de/closedbutopen-digitale-angebote/

Karl August Lingner war übrigens auch der Erfinder des Mundwassers Odol – womit sich der Kreis („Hygiene in aller Munde“) wieder schließt.

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Grablege der Familie von Stockhausen, Trendelburg, 1766, © Museum für Sepulkralkultur / Foto: Maja Wirkus

2. MUSEUM FÜR SEPULKRALKULTUR, KASSEL

Wenn auch wir den Weg alles Irdischen gegangen sind, wird uns Hygiene wohl ziemlich egal sein. Wie wir bestattet und betrauert werden, was nach dem Tod kommt, das sind jedoch Fragen, mit der sich der Mensch schon seit frühester Zeit beschäftigt. – Und deren verschiedenste Antworten Teil unserer Kultur geworden sind. Das Museum für Sepulkralkultur in Kassel ist noch verhältnismäßig jung: 1989 wurde der Grundstein gelegt, drei Jahre später eröffnet.

Tod und Sterben sind Themen, denen wir uns nicht gerne stellen. Doch zeigen sich hier besonders die Kreativität, die Vielfältigkeit und auch der Humor der menschlichen Natur. Von Särgen in Kuhform bis zu bitterbösen Karikaturen (den allzu naheliegenden Kalauer „zum Totlachen“ erspare ich uns…) lässt sich dieses Spektrum in den Dauer- und Sonderausstellungen des Museums finden.

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3. HARLEKINäUM, Wiesbaden

Ein Blick ins HarlekinÄum, (c) Harlekinäum / Foto: Horst Ziegenfusz

Humor ist, wenn man trotzdem lacht. – Dachten sich wohl auch die Gründer und Macher des Harlekinäums in Wiesbaden. Ute und Michael Berger sind stolz, das „einzige Humormuseum der Welt“ zu betreiben. Vielleicht ist es nicht das einzige, aber sicher eines der ganz wenigen Museen weltweit, dessen Exponate in erster Linie aus der Hand seiner Betreiber stammen.

Das Museum verfügt, wie es sich für seriöse Häuser dieser Art gehört, sogar über einen Erweiterungsbau: 2011 wurde „Harlekin´s Klooseum – Museum of Modern Arsch“ eröffnet.

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4. BikiniARTmuseum, Bad Rappenau

Für die gute StrandfiguR,
(c) BikiniARTmuseum

Dass der Allerwerteste am Strand eine gute Figur macht, darum bemühen sich Modemacher*innen seit Dekaden. Wobei lange Zeit zur guten Figur dazugehörte, dass man von ihr möglichst wenig sah. Das galt besonders für Frauenkörper, die noch weit bis ins 20. Jh. hinein mit sogenannten Badekarren, die als Umkleide dienten, ins Wasser hinausgezogen wurden, wo frau dann eilig die wenigen Stufen ins Meer hinabstieg. Dieser und weiterer Geschichten rund um das Thema Bademoden widmet sich (hoffentlich sehr bald) das BikiniARTmuseum (die Eröffnung wurde aufgrund der aktuellen Lage verschoben), das erste und einzige seiner Art. Wenn auch die diesjährige Badesaison wohl ins Wasser fallen wird, bietet die Internetpräsenz einige Inspiration für die (Neu-) Gestaltung der eigenen Bademodenkollektion.

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5. LEVI STRAUSS MUSEUM, Buttenheim

Porträt Levi Strauss
(c) Levi´s, San Francisco

Wo wir bei mehr oder weniger bekleidenden Kleidungsstücken sind: Sie durfte im Kleiderschrank meiner Generation zu Jugendzeiten nicht fehlen: die Levi´s 501. Ihrem Erfinder – überhaupt der Erfinder der Jeans – hat sein Geburtsort Buttenheim (Oberfranken) in seinem Geburtshaus ein eigenes Museum gewidmet. Hier wird erzählt, wie Levi Strauss (eigentlich Löb Strauss) im Jahre 1848 in die USA auswanderte und mit der Entwicklung einer strapazierbaren Arbeiterhose ein bis heute erfolgreiches Unternehmen gründete. Die 501 war übrigens ursprünglich die Bestellnummer für die blauen Hosen, die man damals noch Waist-Overall nannte; 1934 kam unter der Nummer 701 die erste für Frauen gefertigte Jeans auf den Markt (was sehr fortschrittlich war, wenn man bedenkt, welche Welle der Entrüstung Marlene Dietrich auslöste, weil sie Hosen trug!).

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Sog. Englisches Hemd, 19./20. Jh., (c) Straf-vollzugsmuseum Ludwigsburg

6. STRAFVOLLZUGSMUSEUM, Ludwigsburg

Auch ein Englisches Hemd klingt nach eleganter Garderobe. Doch freiwillig würden wir es wohl ebenso wenig anziehen, wie ins Gefängnis gehen. Wie es hinter den „eisernen Gardinen“ aussah und aussieht, lässt sich aber im Strafvollzugsmuseum entdecken. Untergebracht ist es in den geschichtsträchtigen Räumen eines ursprünglichen „Zucht-, Arbeits- und Waisenhauses“ aus dem frühen 18. Jahrhundert. Die Exponate aus den letzten knapp 100 Jahren sind so schauerlich wie abstrus, erschreckend wie interessant: Neben Straf- und Tötungsmethoden alter Zeiten zeigen sich hier auch die Ergebnisse kreativer Ideen der Gefangenen, ihren Alltag erträglicher zu machen. So gibt es ein Schachspiel aus geschnitzter Kernseife zu entdecken, und man erfährt, wie es den einsitzenden RAF-Mitgliedern gelang, in ihren Stammheimer Zellen Alkohol zu brennen. Was das alles mit dem Englischen Hemd zu tun hat? Bei diesem handelt es sich um eine Zwangsjacke aus hartem Leder (s. Foto), in das Gefangene einst zur Bestrafung für z.B. Arbeitsverweigerung oder Aggressivität gesteckt wurden.


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7. DEUTSCHES FLIPPERMUSEUM, Neuwied

FLIPPERautomat „Treff Gloria“,1954, (c) Flipper Museum

Widmen wir uns wieder erfreulicheren Dingen. Der Mensch bleibt zeitlebens ein Kind, was seine Spielfreude betrifft. Das beweist das Flippermuseum. Hier dreht sich alles um den lustigen Spielautomaten mit der Kugel. Anders als in den meisten Museum heißt es hier: Anfassen unbedingt erlaubt! Denn viele der bis zu 90 Jahre alten Geräte sind noch benutzbar. – Vom nostalgischen „Kugelfangspiel“ aus Holz über die ersten Geräte mit digitalem Display bis hin zum großen Bruder von Super Mario. Wer länger bleiben möchte, kann im Flipperhotel einchecken. Neben einer wohl einmaligen Einrichtung der Zimmer findet sich in jedem von ihnen selbstverständlich auch ein Flipper-Automat.

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8. UNIMOG-MUSEUM, GAGGENAU

Ein Unimog-Duo, (c) Unimog-Museum

Des Mannes liebstes Hobby ist das Auto. Das klingt sexistisch, aber wenn ich an die vielen „Aahs“ und „Ooohs“ ausschließlich männlicher Besucher denke, die vom Anblick des Unimogs, der hinter meiner Wohnstatt in der Scheune steht, ausgelöst werden, dann muss ich sagen, dass die Erfahrung dem Klischee hier jegliche Rechnung trägt. Wie muss es den Kerlen erst ergehen, wenn sie das diesem Gefährt gewidmete Museum betreten?

Ich kenne mich mit motorisierten Fahrzeugen weder aus, noch interessieren sie mich besonders. Dennoch habe ich eine Ahnung, was am Unimog so begeistert: Sein charaktervolles Äußeres paar sich mit einer geradezu unkaputtbaren Robustheit (wünscht sich nicht jede Frau heimlich so einen als Mann? [ – Um hier der Gleichberechtigung halber auch ein weibliches Klischee zu bedienen]). Letztere kann man gleich vor Ort selbst testen und als Mitfahrer „100% Steigung, 70% Gefälle und 20 Grad Schräglage“ erleben.

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9. wARTE-HALLE WELCHENHAUSEN, Welchenhausen (Eifelkreis Bitburg-Prüm)

das kleinste Museum der WElt, Ansicht von 2016, (c) w-ArtEhalle Welchenhausen

Der Louvre, die Pinakotheken, das Metropolitan Museum of Art – Kunsttempel, deren vollständige Besichtigung mindestens mehrere Wochen dauern würde. Welches das größte von ihnen ist? – Keine Ahnung. Das kleinste Museum der Welt aber steht in der Eifel. (Möglich, dass es noch kleinere gibt, aber die sind evtl. aufgrund ihrer Winzigkeit bisher noch nicht entdeckt worden.) Die wArtehalle Welchenhausen verdankt ihre im Jahre 2002 begonnene Existenz dem kunstsinnigen Engagement der 35 (!) Ortsbewohner. – Wie könnte man das „nur noch von einem einzigen Schulkind genutzte Buswartehäuschen“ zur Freude aller nutzen? So entstand das Kunst-Kleinod im Dreiländereck Deutschland-Belgien-Luxemburg. Seither wurden dort 60 Ausstellungen von Künstler*innen gezeigt, die ebenso international sind wie die Gäste und die 200 Mitglieder des Vereins.

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10. DEUTSCHES PINSEL- UND BÜRSTENMUSEUM, Bechhofen (Mittelfranken)

Wenn wir an die frühe Menschheitsgeschichte denken (als es Flipperautomaten, Zwangsjacken, Levis-Jeans etc. noch nicht gab), denken wir wohl eher an holzknüppeltragende Höhlenbewohner als an feinsinnige Künstler. Doch gingen menschliche und künstlerische Entwicklung Hand in Hand. – Und die Erstellung von entsprechendem Werkzeug gleich mit. So hatten die Höhlenbewohner nicht nur (wenn überhaupt) Knüppel, sondern auch Pinseln in der Hand, um ihre Wohnstatt damit aufs meisterlichste auszugestalten.

Die lange Geschichte der Pinsel und Bürsten ist Thema des gleichnamigen Museums in Mittelfranken. Bevor die beiden Alltagsbegleiter zu kunststofflicher Massenware verkahmen, war es eine Kunst, Bürsten, vor allem aber gute Pinsel herzustellen. Und wenn wir darüber nachdenken, fällt uns plötzlich auf, wie viele Varianten es gibt und wie viele wir davon selbst in Benutzung haben: Zahn- und Haarbürsten, Spülbürsten, Maler- und Rasierpinsel (bitte nicht verwechseln!), Schuhbürsten, Malpinsel, Kosmetikpinsel und und und.

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Ich möchte die Gelegenheit nutzen, an dieser Stelle vor allem den vielen ehrenamtlichen Initiator*innen und Mitarbeiter*innen zu danken, deren unermüdlichem Engagement wir die Existenz von Museen, gerade der kleinen, unbekannten, zu verdanken haben. Ihnen sei an dieser Stelle von Herzen und mit tiefer Verneigung gedankt gedankt gedankt!!!

Beim nächsten Mal widmen wir uns der Frage, wo der gute Geschmack aufhört und der Kitsch beginnt.

1 thought on “Gestatten – Die 10 ungewöhnlichsten Museen

  1. Herrlich… wad ed all gibt.. das Museum fürn Arsch ist gerade jetzt wo Klopapier unser wertvollstes Gut geworden ist total aktuell… und auch noch bei uns umme Ecke. Ich werde mir das auf jeden Fall auf meine To-Do-Liste nach Corona schreiben. Danke ?

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