Gestatten – UMBRUCH in Mannheim

Wie bereits im letzten Beitrag angekündigt, betrete ich mit Euch heute Neuland: Wir beschäftigen uns nämlich mal ausnahmsweise mit einer Ausstellung über aktuelle Kunst.

Foyer der Kunsthalle Mannheim mit Anselm Kiefer: Sefiroth, Kiefer-Sammlung Grothe in der Kunsthalle Mannheim © Anselm Kiefer

Vielleicht habt Ihr Euch sowieso schonmal gefragt, wieso ich hier immer nur rückwärtsgewandt über Kunst schreibe. Zum einen kenne ich mich damit einfach besser aus. Zum anderen gibt es zahlreiche Blogs, die zeitgenössische Künstler*innen und Ausstellungen besprechen (weiter rechts unten ein paar Links). Nun hat mich vor einigen Wochen die Einladung der Kunsthalle Mannheim zu einem Blogger-Event über die neue  Ausstellung UMBRUCH erreicht, die ich natürlich gerne angenommen habe. Solche Veranstaltungen geben einem die Möglichkeit, die Menschen einer Institution kennen zu lernen und etwas über ihre Arbeit hinter den Kulissen zu erfahren, von welcher man ja als Besucher nur einen Bruchteil mitbekommt. Und man trifft Andere, die über Kunst und Kultur schreiben, und kann sich austauschen.

Aller guten Dinge

Der Titel der Schau hängt damit zusammen, dass mit dem 2018 eröffneten Anbau und einer neuen Direktion seit 2019 auch neue Zeiten an der Kunsthalle anbrechen sollen. Das eng getaktete, aber sehr gut organisierte Abendprogramm (Lob und Dank an Lena Berkler!) sah einen kurzen Rundgang und drei Programmpunkte nach Wahl vor. Ich entschied mich für die Klang-Performance im Resonanzraum der deutsch-türkischen Künstlerin Nevin Aladağ, das Gespräch mit dem neuen Direktor Johan Holten und dem interaktiven Konzert Reset: Blickwechsel des Interkulturellen Hauses Mannheim.

Die Ausstellung ist in drei Teile gegliedert: Zu Beginn stehen drei Künstler*innen der sogenannten Neuen Sachlichkeit: Anita Rée, Jeanne Mammen (die ich sehr mag) und die recht unbekannte Hanna Nagel. Dabei versteht sich dieser Ausstellungteil als Hommage an die drei Malerinnen, die bei der großen Schau vor knapp hundert Jahren (1925) in der Mannheimer Kunsthalle (mit dem für den Stil namensgebenden Titel) …, tja…, ignoriert?, übersehen?, vergessen?… worden waren. Weiter geht es – über die alle Teile verbindende Ausstellungsarchitektur aus Gerüstteilen und Wänden aus Spanplatten – zum zweiten Teil, der sich mit gesellschaftlichen Konventionen und deren Hinterfragen beschäftigt, wobei das Thema Migration im Subtext mitschwingt. Die Ausstellung schließt mit Arbeiten dreier internationaler Künstlerinnen bzw. Bildhauerinnen, die sich mit ihren jeweiligen Lebenswelten und Biografien beschäftigen.

Ich will hier nicht näher auf die einzelnen Programmpunkte eingehen, auch wenn sie mir alle gut gefallen haben. Die Ausstellung läuft noch bis zum 18. Oktober inklusive eines interessanten Begleitprogramms, Ihr habt also ausreichend Zeit, Euch selbst ein Bild zu machen :). Stattdessen dachte ich, ich teile mit Euch, was ich darüber denke – und warum.

Frauen vor!

Installationsansicht mit Werken von Anita Rée und Hanna Nagel, Kunsthalle Mannheim, 2020

Insgesamt ist die Ausstellung absolut sehenswert. Jede künstlerische Position, ob alt oder aktuell, ist anregend, qualitätvoll und steht für sich. Letzteres ist meines Erachtens aber auch ihr Manko, denn mir hat es an Bezügen der einzelnen Teile untereinander gefehlt und bei den meisten Arbeiten auch die Verbindung zum UMBRUCH-Titel. So wirkt der erste Teil zur weiblichen Neuen Sachlichkeit durch die strikte, räumliche Trennung der einzelnen Künstlerinnen/Bilder voneinander, der konservativen Nebeneinander-Hängung und dem reinen Aberzählen ihrer Biografien eher wie eine nach knapp 100 Jahren schnell noch nachträglich eingefügte Fußnote, denn wie eine wirkliche Hommage. Es mag ja noch werden, vielleicht zum tatsächlichen 100jährigen Jahresjahr der Ausstellung 2025, aber eine genauere Beleuchtung ihrer Lebensumstände, der Möglichkeiten und Stolpersteine für Künstlerinnen in der (Umbruch-) Zeit der Weimarer Republik, hätte meines Erachtens einer posthumen Ehrung besser Rechnung getragen. Nun war das im Rahmen der aktuellen Ausstellung nun verständlicher- wie bedauernswerterweise in diesem Umfang nicht möglich. Mir fehlte aber auch eine Verknüpfung zu den Ausstellungsteilen Zwei und Drei. Außer, dass die Kunsthalle, wie Johan Holten im Gespräch betonte, in Hinblick auf mehr Diversität zukünftig auch den Anteil weiblicher Kunst erhöhen will, hat sich mir kein Zusammenhang erschlossen.

Kaari Upson, Mother’s Legs, 2020, Installationsansicht, Kunsthalle Mannheim, 2020

Gerade im Letzteren, für den drei KünstlerINNEN ausgesucht worden sind, wäre die Frage nach den heutigen Lebensumständen weiblicher Künstlerinnen bzw. Arbeiten, die Themen wie gesellschaftliche Rolle der Frau, Rollenbilder und Gleichberechtigung behandeln, schlüssig gewesen. Immerhin müssen wir (und vermehrt) in Zeiten von Corona feststellen, wie schnell auch unsere moderne Gesellschaft wieder in alle Rollenmuster zurückfällt, wenn es zu plötzlichen Umbrüchen kommt. Doch die ausgewählten Arbeiten (so qualitätvoll sie auch sind) nehmen dies nicht in den Fokus. (Ich will damit nicht sagen, dass weibliche Künstler per se verpflichtet sind, diese Themen in ihren Werken zu spiegeln. Beim Thema Umbruch hätte ich aber Arbeiten erwartet, die diesen auch zum Inhalt haben. Das können ja auch Umbrüche in der eigenen Biographie oder Lebensumgebung sein.) Deswegen läuft der dritte Teil m.E. Gefahr, den Eindruck zu erwecken, dass hier das Geschlecht der Kunstschaffenden der vorrangige Grund für ihre Präsentation ist – und der Inhalt der Arbeiten zweitrangig.

Was ist eigentlich ein Umbruch?

Nevin Aladağ, Resonanz Raum, 2020, Mannheim, Installationsansicht, Kunsthalle Mannheim, 2020

Ähnlich ging es mir mit dem für Mannheim so naheliegenden Thema der Migration und dem deklarierten Ziel der Kunsthalle, auch dieses in Zukunft stärker in den Fokus zu rücken. Auch dies ist absolut zu begrüßen, aber auch hier habe ich mich gefragt, wo bei den entsprechenden Ausstellungsstücken der konkrete Bezug zum Umbruch gegeben ist. Ja, die Künstler haben selbst Migrationshintergrund und beschäftigen sich mit dem „Culture Clash“ – aber wie und ob darin, Umbrüche eine Rolle spielen…?

Vielleicht verbeisse ich mich aber auch zu sehr in den Ausstellungstitel, vielleicht assoziiere ich mit dem Begriff Umbruch einfach etwas anderes. Vielleicht wäre ein anderer oder Untertitel, der verdeutlicht, dass die Schau als ganze ein Blick in die Zukunft der Kunsthalle, ein (Um-)bruch mit dem Alten sein soll, (für mich) verständlicher gewesen. So aber erschien sie mir, trotz der Qualität ihrer Objekte, in ihrer Wirkung eher vage und oberflächlich.

Installationsansicht mit Werken von Jeanne Mammen, Kunsthalle Mannheim, 2020

Mein Fazit

Wenn man selbst keine Arbeit damit hatte, ist es immer leicht, von außen und ohne Wissen um die Entwicklungen, Bedingungen, Prozesse und (Un-)Möglichkeiten hinter den Kulissen Kritik zu üben. Und deswegen möchte ich zum Schluss nochmals betonen, dass ich die Ausstellung (trotzdem) sehr sehenswert finde. Kunst hat seit jeher dazu beigetragen, gesellschaftliche Missstände zu reflektieren und die eigene Sicht der Dinge zu hinterfragen. Auch die Ausstellung UMBRUCH leistet hier einen wichtigen Beitrag, wenn auch anders, als von mir erwartet.

Ob die Kunsthalle Mannheim nach diesem Auftakt tatsächlich „ein neues Kapitel aufschlagen“ wird, wie es im Pressetext heißt, und der Umbruch gelingt, wird die Zukunft zeigen. So oder so hat mich die Ausstellung neugierig gemacht. Ich werde die weitere Entwicklung des Hauses aufmerksam verfolgen und danke für den tollen Abend sowie die Übernahme der Reise- und Übernachtungskosten.

Seid Ihr selbst schon in der Ausstellung gewesen oder habt vor, hinzugehen? Ich bin gespannt auf Eure Eindrücke und Meinungen!

Sehr gerne empfehle ich Euch den Beitrag der „Kulturtussi“ Anke von Heyl zu ihrer Sicht auf die Ausstellung: https://wp.me/p5ApMJ-26o.

3 thoughts on “Gestatten – UMBRUCH in Mannheim

  1. Liebe Esther,
    erst jetzt habe ich deinen Blog-Beitrag entdeckt und ich danke dir für deine Sicht auf die Ausstellung, die ich auch gut nachvollziehen kann. Die unterschiedlichen Positionen waren etwas „nebeneinander“ und bei den neusachlichen Künstlerinnen hätte ich mir in der Tat auch etwas mehr Mut bei der Hängung gewünscht.
    Dennoch war der Besuch in Mannheim ein Erlebnis. Nicht zuletzt auch durch den Austausch mit dir und den anderen BloggerInnen und InstagrammerInnen!
    Ganz herzliche Grüße von Anke

  2. Das urprüngliche Konzept der Ausstellung entstand ja lange vor der Coronakrise. So scheint der Umbruch sich auch mehr auf die architektonische Umgestaltung der Kunsthalle zu beziehen.
    „Leben bedeutet Veränderung; nichts hat wirklich Bestand.
    Wenn Menschen in einer Umbruchphase sind, bedeutet das, dass etwas Altes keine Gültigkeit mehr hat und das Neue noch nicht wirkt.
    Umbruch bedeutet, Altes loszulassen und mit Vertrauen und Zuversicht das Neue erwarten.“ (https://www.sonjahandy.de/Umbruch_das_Leben_im_steten_Wandel)
    Dann beobachten wir mal mit Vertrauen und Zuversicht den Umruch der Mannheimer Kunsthalle.
    Viele Grüße, Philipp Nickerl

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